Selbst den Toten geht es besser!

Dann wieder sah ich, wie viele Menschen auf dieser Welt ausgebeutet werden. Die Unterdrückten vergießen bittere Tränen, doch niemand tröstet sie. Keiner hilft ihnen, weil ihre Unterdrücker so mächtig sind. Wie glücklich sind doch die Toten, sie haben es viel besser als die Lebenden! Noch besser aber geht es denen, die gar nicht erst geboren wurden! Sie haben das schreiende Unrecht auf dieser Welt nie mit ansehen müssen.

Weniger ist mehr

Nun weiß ich, warum die Menschen so hart arbeiten und so viel Erfolg haben: Sie tun es nur, um die anderen in den Schatten zu stellen! Auch das ist vergebliche Mühe – so als wollten sie den Wind einfangen. Zwar sagt man: »Der dumme Faulpelz legt die Hände in den Schoß und verhungert«, ich aber meine: Besser nur eine Handvoll besitzen und Ruhe genießen als viel Besitz haben und alle Hände voll zu tun. Denn im Grunde lohnt sich das ja nicht.

Zwei haben es besser als einer allein

Noch etwas habe ich auf dieser Welt beobachtet, das mir sinnlos erscheint:

Manch einer lebt völlig allein und hat weder Kinder noch Geschwister. Trotzdem arbeitet er ohne Ende und ist nie zufrieden mit seinem Besitz. Aber für wen mühe ich mich dann ab und gönne mir nichts Gutes mehr? Das ist doch unsinnig, so vergeudet man nur seine Zeit!

Zwei haben es besser als einer allein, denn zusammen können sie mehr erreichen. 10 Stürzt einer von ihnen, dann hilft der andere ihm wieder auf die Beine. Doch wie schlecht steht es um den, der alleine ist, wenn er hinfällt! Niemand ist da, der ihm wieder aufhilft! 11 Wenn zwei in der Kälte zusammenliegen, wärmt einer den anderen, doch wie soll einer allein warm werden? 12 Einer kann leicht überwältigt werden, doch zwei sind dem Angriff gewachsen. Man sagt ja auch: »Ein Seil aus drei Schnüren reißt nicht so schnell!«

Die Gunst des Volkes ist trügerisch!

13 Besser ein junger Mann, der arm, aber weise ist, als ein alter und törichter König, der keine Ratschläge annimmt!

14 Es ist schon vorgekommen, dass man einen jungen Mann aus dem Gefängnis geholt und ihn zum König gemacht hat, obwohl er noch zu Zeiten des alten Königs in Armut geboren wurde. 15 Doch ich habe auch beobachtet, dass die Menschen sich schnell wieder auf die Seite eines anderen stellten, der stattdessen die Herrschaft übernehmen sollte. 16 Für eine Weile lief die begeisterte Volksmenge dem neuen Machthaber nach, aber bald darauf waren sie auch mit ihm nicht mehr zufrieden, und sein Ruhm erlosch schnell. So war alles umsonst, als hätte er versucht, den Wind einzufangen!

Begegne Gott mit Ehrfurcht!

17 Besinne dich, bevor du zum Tempel Gottes gehst! Wenn du bereit bist, wirklich auf Gott zu hören, ist das viel wertvoller als die Opfer der Unverständigen. Denn sie wissen nicht, worauf es ankommt; sie merken nicht einmal, dass sie Böses tun.

Denk erst nach, bevor du betest, sei nicht zu voreilig! Denn Gott ist im Himmel, und du bist auf der Erde – also sei sparsam mit deinen Worten!

Man sagt doch: »Wer zu geschäftig ist, träumt bald unruhig, und wer zu viel redet, sagt leicht etwas Dummes.«

Wenn du vor Gott ein Gelübde abgelegt hast, dann zögere nicht, es zu erfüllen! Menschen, die leichtfertige Versprechungen machen, gefallen Gott nicht – darum tu, was du ihm geschworen hast! Besser, du versprichst erst gar nichts, als dass du ein Versprechen nicht hältst!

Leg kein unbedachtes Gelübde ab, sonst lädst du Schuld auf dich! Hast du es doch getan, dann behaupte nicht vor dem Priester[a]: »Ich habe es gar nicht so gemeint!« Oder willst du, dass Gott zornig wird und die Früchte deiner Arbeit vernichtet?

Wer viel träumt, träumt manches Sinnlose, und wer viel redet, sagt manches Unnütze.[b] Du aber begegne Gott mit Ehrfurcht!

Die Gewaltherrschaft der Mächtigen

Wundere dich nicht, wenn du siehst, wie die Armen im Land unterdrückt werden und wie man das Recht beugt! Denn ein Mächtiger belauert den anderen, und beide werden von noch Mächtigeren beherrscht. So ist es wohl besser für ein Land, wenn es einen König hat, der für Recht und Ordnung sorgt[c].

Reichtum garantiert noch kein Glück

Wer geldgierig ist, bekommt nie genug, und wer den Luxus liebt, hat immer zu wenig – auch das Streben nach Reichtum ist darum vergebens! 10 Je reicher einer wird, umso mehr Leute scharen sich um ihn, die auf seine Kosten leben wollen. Der Reiche kann seinen Besitz zwar bestaunen, aber sonst hat er nichts davon. 11 Wer hart arbeitet, der kann gut schlafen – egal ob er viel oder wenig zu essen hat. Der Reiche dagegen findet vor lauter Sorge um sein Vermögen keinen Schlaf.

12 Etwas Schlimmes habe ich auf dieser Welt beobachtet: wenn einer seinen Besitz sorgsam hütet und ihn dann doch verliert. 13 Nur ein Unglücksfall – und schon ist sein ganzes Vermögen dahin, auch seinen Kindern kann er nichts hinterlassen. 14 So, wie er auf diese Welt gekommen ist, muss er sie wieder verlassen – nackt und besitzlos! Nicht eine Handvoll kann er mitnehmen von dem, wofür er sich hier abmühte. 15 Es ist zum Verzweifeln! Wie er kam, muss er wieder gehen. Was hat er also von seiner harten Arbeit? Es ist ja doch alles umsonst! 16 Sein ganzes Leben bestand aus Mühe und Trauer; er hatte nichts als Ärger und Sorgen und plagte sich mit vielen Krankheiten.

17 Eines habe ich begriffen: Das größte Glück genießt ein Mensch in dem kurzen Leben, das Gott ihm gibt, wenn er isst und trinkt und es sich gut gehen lässt bei aller Last, die er zu tragen hat. Das ist der Lohn für seine Mühen. 18 Wenn jemand es zu Reichtum bringt und sich an seinem Besitz erfreuen kann, dann hat er das Gott zu verdanken. Ja, die Früchte seiner Arbeit zu genießen, das ist Gottes Geschenk! 19 Denn wessen Leben Gott mit Freude erfüllt, der denkt nicht viel darüber nach, wie kurz es eigentlich ist.

Noch ein großes Unglück habe ich auf dieser Welt gesehen, es trifft sehr viele Menschen:

Da schenkt Gott einem Mann Reichtum, Wohlstand und Ehre – ja, alles, was er sich nur wünschen kann, nichts fehlt! Und trotzdem lässt er ihn nichts davon genießen, sondern es fällt einem Fremden in die Hände. Was für eine Sinnlosigkeit und welch ein Unglück! Mag ein Mann auch hundert Kinder haben und sehr lange leben – wenn er sein Glück nicht genießen kann und am Ende nicht einmal begraben wird, was hat er dann davon? Ich sage: Selbst einer Fehlgeburt geht es besser! Als ein Nichts kommt sie, ins Dunkel geht sie, dorthin, wo sie für immer vergessen wird. 5-6 Das Licht der Sonne hat sie nie erblickt oder je etwas davon gewusst, und doch geht es ihr besser als jenem bedauernswerten Menschen! Denn er findet keine Ruhe und wird das Glück nie genießen, selbst wenn er zweitausend Jahre leben würde. Und am Ende müssen beide an den gleichen Ort!

Der Mensch müht sich ab sein Leben lang, nur um genug zum Essen zu haben, doch nie wird sein Verlangen gestillt. Was also hat der Weise dem Unverständigen voraus? Was nützt dem Armen ein rechtschaffenes Leben? Sei zufrieden mit dem, was du hast, und verlange nicht ständig nach mehr, denn das ist vergebliche Mühe – so als wolltest du den Wind einfangen.

Gegen Gott kommt niemand an!

10 Alles auf der Welt ist seit langer Zeit vorherbestimmt, und auch das Schicksal jedes Menschen steht schon vor seiner Geburt fest. Mit dem, der mächtiger ist als er, kann er nicht darüber streiten. 11 Er kann ihn noch so sehr anklagen – es hat ja doch keinen Sinn und hilft ihm nicht weiter!

12 Wer weiß denn, was für den Menschen gut ist in seinem kurzen und vergeblichen Leben, das schnell wie ein Schatten vorbeieilt? Wer kann ihm sagen, was nach seinem Tod auf dieser Welt geschehen wird?

Weitere Weisheiten des Predigers (Kapitel 7–9)

Was ist gut?

»Ein guter Ruf ist mehr wert als kostbares Parfüm[d]«, heißt es, und ich sage: Der Tag des Todes ist besser als der Tag der Geburt.

Geh lieber in ein Haus, wo man trauert, als dorthin, wo gefeiert wird. Denn im Trauerhaus wird man daran erinnert, dass der Tod auf jeden Menschen wartet. Wer noch lebt, sollte sich dies zu Herzen nehmen! Kummer ist besser als Lachen, Trauer verändert den Menschen zum Guten. Der Weise geht dorthin, wo man trauert, aber der Unverständige hat nichts anderes im Sinn, als sich zu vergnügen.

Man hat mehr davon, auf die Zurechtweisung eines verständigen Menschen zu achten, als sich die Loblieder von Dummköpfen anzuhören! Denn wie ein Strohfeuer auflodert und schnell wieder verlischt, so vergeht alles törichte Gelächter – es bleibt ohne Bedeutung.

Wenn ein Verständiger sich unter Druck setzen lässt, wird er zum Narren; wer Bestechungsgeschenke annimmt, lässt sich den Verstand vernebeln.

Das Ende einer Sache ist besser als ihr Anfang; Geduld zu haben, bringt weiter als Überheblichkeit.

Werde nicht schnell zornig, denn nur ein Dummkopf braust leicht auf.

10 Frag nicht: »Warum war früher alles besser?« Damit zeigst du nur, wie wenig Weisheit du besitzt.

11 Weisheit ist so wertvoll wie ein reiches Erbe, sie ist für jeden Menschen auf dieser Welt ein Gewinn. 12 Sie bietet so viel Sicherheit wie Geld, ja, sie schenkt sogar noch mehr: Wer die Weisheit besitzt, den erhält sie am Leben.

13 Halte dir vor Augen, was Gott tut! Wer kann gerade machen, was er gekrümmt hat?

14 Wenn es dir gut geht, dann freu dich über dein Glück, und wenn es dir schlecht geht, dann bedenke: Gott schickt dir beides, und du weißt nie, was die Zukunft bringen wird.

Vermeide die Extreme!

15 In meinem vergänglichen Leben habe ich viel gesehen: Manch einer richtet sich nach Gottes Geboten und kommt trotzdem um; ein anderer will von Gott nichts wissen, aber er genießt ein langes Leben. 16 Sei nicht allzu fromm und übertreib es nicht mit deiner Weisheit! Warum willst du dich selbst zugrunde richten? 17 Sei aber auch nicht gewissenlos und unvernünftig! Warum willst du sterben, bevor deine Zeit gekommen ist? 18 Es ist gut, wenn du dich an beides hältst und die Extreme vermeidest. Wer Ehrfurcht vor Gott hat, der findet den richtigen Weg.

19 Weisheit beschützt einen Menschen mehr, als zehn Machthaber einer Stadt ihm helfen können. 20 Doch es ist kein Mensch auf der Erde so gottesfürchtig, dass er nur Gutes tut und niemals sündigt.

21 Hör nicht auf das Geschwätz der Leute; dann hörst du auch nicht, wie dein Untergebener über dich lästert! 22 Du weißt genau, dass auch du schon oft über andere hergezogen bist.

Wer ist weise?

23 Ich habe versucht, dies alles mit meiner Weisheit zu erforschen; ich wollte Einsicht erlangen, aber sie blieb mir unerreichbar fern. 24 Was geschieht, kann man nicht ergründen – es ist tief verborgen und nicht zu verstehen. 25 Trotzdem bemühte ich mich mit aller Kraft, Weisheit zu erlangen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Ich wollte wissen, ob Gottlosigkeit auf Unwissenheit beruht und ob mangelnde Einsicht mit Verblendung zusammenhängt.

26 Dabei habe ich gemerkt: Etwas ist noch schlimmer als der Tod, nämlich jene Frau, die einem Fangseil gleicht, deren Liebe dich einfängt wie ein Netz und deren Arme dich umschließen wie Fesseln. Ein Mann, der Gott gefällt, kann sich vor ihr retten, aber der Gottlose wird von ihr gefangen.

27 Ja, sagt der Prediger, das habe ich nach und nach herausgefunden, während ich nach Antworten suchte. 28 Doch worum ich mich die ganze Zeit mühte, habe ich immer noch nicht gefunden. Unter tausend Menschen fand ich nur einen Mann, dem ich mein Vertrauen schenken konnte, aber keine Frau.

29 Nur dieses eine habe ich gelernt: Gott hat die Menschen aufrichtig und wahrhaftig geschaffen, jetzt aber sind sie falsch und berechnend.

Footnotes

  1. 5,5 Wörtlich: Boten. – Hier ist wohl ein Priester oder Tempeldiener gemeint.
  2. 5,6 Der hebräische Text ist nicht sicher zu deuten.
  3. 5,8 Wörtlich: der das Land bebauen lässt. – Der hebräische Text ist nicht sicher zu deuten.
  4. 7,1 Wörtlich: als gutes (Salb-)Öl. – Vgl. »salben/Salbung« in den Sacherklärungen.